Michael Frieser [CSU]

Sehr geehrte Damen und Herren,
im Auftrag von Bundestagskandidat Michael Frieser kann ich Ihnen folgende Antwort übermitteln:

Die CSU bekennt sich zur repräsentativen Demokratie, in der politische Führung und demokratische Verantwortung wirksam miteinander verbunden werden. Unser Grundgesetz mit seinem Modell der parlamentarischen Demokratie hat sich in seiner nun 60jährigen Geschichte in hervorragender Weise bewährt. Deutschland ist mit seinem Gesetzgebungsverfahren, an dem der Deutsche Bundestag und der Bundesrat beteiligt sind, gut gefahren. Repräsentative Demokratie schließt allerdings auch Elemente direkter Demokratie nicht aus. Auf Kommunal- und Landesebene können diese Elemente die repräsentative Demokratie sinnvoll ergänzen. Auf Landes- und Kommunalebene, wo es um Problemlösungen vor Ort geht, kann die Stimme des Bürgers in unserem föderalen System auf vielfältige Weise Ausdruck finden, etwa bei Befragungen sowie durch Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide. Die Situation auf Bundesebene ist jedoch damit nicht vergleichbar. Die Komplexität der Materien ist auf Bundesebene in aller Regel ungleich größer. Volksentscheide oder ähnliche Verfahren könnten diesen komplexen Materien in aller Regel kaum gerecht werden, weil die Entscheidung über einen Gesetzentwurf im Wege eines Volksentscheids letztlich durch eine einfache Abstimmung durch „Ja“ oder „Nein“ getroffen werden müsste. Die zu regelnden Materien auf Bundesebene eignen sich indessen aufgrund ihrer Komplexität in aller Regel nicht für eine einfache „Ja“/“Nein“-Entscheidung. Politische Entscheidungen würden auf diese Weise in einer Weise verkürzt, die dem hochkomplexen Charakter der meisten Themen nicht ausreichend gerecht würde. Mit anderen Worten: wichtige Details, maßgebliche Interessen und Betroffenheiten würden bei einem derart verkürzten Entscheidungsprozess häufig „unter den Tisch fallen”. Die Konsequenz wären häufig unausgewogene Entscheidungen und daraus folgende Unzufriedenheit bei denjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die ihre Interessen im konkreten Fall nicht ausreichend berücksichtigt sähen.

Um bei diesen Materien zu zufriedenstellenden und ausgewogenen gesetzgeberischen Lösungen Antworten zu gelangen, ist ein Verfahren erforderlich, das die notwendige Flexibilität und Offenheit für Änderungen an Gesetzentwürfen ermöglicht. Beim heute geltenden Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene, an dem Bundestag und Bundesrat mitwirken, ist dies gewährleistet. Denn durch drei Lesungen der Gesetzentwürfe, Ausschussberatungen, Sachverständigenanhörungen und Berichterstattergespräche wird eine ausgewogene und faire Gesetzesfindung sichergestellt, bei dem alle maßgeblichen Gesichtspunkte und betroffenen Interessen vorgebracht, berücksichtigt und miteinander zum Ausgleich gebracht werden können. Ergibt sich aufgrund der Erkenntnisse im Zuge dieser Verfahrensschritte Änderungsbedarf gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf, können diese Änderungen im parlamentarischen Verfahren vorgenommen werden. Auf dem Wege dieses „lernenden Verfahrens“ besteht der notwendige Spielraum, Änderungen und Anpassungen an den ursprünglichen Gesetzentwürfen vorzunehmen.

Demgegenüber erlauben Volksentscheide eine solche flexible Reaktion auf im Verlauf des Verfahrens zu Tage getretene neue Erkenntnisse oder geänderte Gewichtungen von Argumenten letztlich nicht im notwendigen Umfang. Die Folge wäre eine unangemessene Verkürzung vieler Sachthemen, das der Vielzahl der berührten Interessen nicht angemessen gerecht würde. Dieses würde insbesondere zu Lasten von Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten Gruppen gehen. Es gibt allerdings einen Bereich, bei dem die CSU die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene befürwortet: Wir fordern Volksabstimmungen auf Bundesebene bei grundlegenden Änderungen des Rechts der Europäischen Union, insbesondere bei Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union sowie in Fragen des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur EU. Denn Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU gehen letztlich mit der Übertragung neuer Zuständigkeiten auf die Union einher. Hierüber sollte nach unserer Meinung das Volk abstimmen, weil in solchen Fällen der Zuständigkeitsübertragung die gewählten Vertreter des deutschen Volkes - der Deutsche Bundestag - grundsätzlich dauerhaft ihre Entscheidungsmacht in der jeweiligen Angelegenheit an die europäische Ebene abgeben und damit ihre politische Entscheidungsmacht in dem jeweiligen Bereich zugunsten der Europäischen Union abgeben. Solche Entscheidungen haben somit eine andere Qualität als die herkömmlichen Gesetzgebung auf Bundesebene. Denn bei der herkömmlichen Gesetzgebung kann der Bundestag eine einmal getroffene gesetzgeberische Entscheidung jederzeit wieder zurücknehmen oder abändern, während er dies nach einer Übertragung von neuen Souveranitätsrechten auf die EU in den davon betroffenen politischen Bereichen gerade nicht mehr kann. Darüber hinaus ist es auch gerechtfertigt, den Beitritt weiterer Staaten zur Europäischen Union einer Volksabstimmung in Deutschland zu unterwerfen, weil es sich bei jedem Beitritt in der Sache um eine ähnlich weitreichende Entscheidung handelt wie bei einer Zuständigkeitsübertragung auf die EU. Denn jeder weitere Beitritt ändert in maßgeblicher Weise das Gesicht der Europäischen Union und hat entscheidenden Einfluss auf die gesamte weitere Entwicklung der europäischen Familie. Ferner sind Erweiterungsschritte der Europäischen Union - auch hier wieder im Unterschied zur herkömmlichen Gesetzgebung auf Bundesebene - politische Entscheidungen, die grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden können. Deshalb ist es angemessen, vor derart weitreichenden Entscheidungen das deutsche Volk unmittelbar zu befragen.

Sie sehen also, dass wir Elementen der direkten Demokratie auf Bundesebene grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, während sie im kommunalen Bereich eine praxistaugliche Ergänzung sein können. Unser System der repräsentativen Demokratie ist bewährt und hat sich in den letzen 60 Jahren als Garant für Stabilität und soziale Gerechtigkeit erwiesen.

Mit freundlichen Grüßen

Elmar Pfäfflin
Wahlkampfteam Michael Frieser

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