Aktion Widerstand

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projekt »weiße nelke«

Auf dem Weg zum Widerstand?

 

I. Die aktuelle Situation

1. Ein Gespenst geht um in Deutschland: Das Gespenst des Volksentscheids.

Erst brauchte es nach Gründung der Republik 33 Jahre, bis von da an aus der Zivilgesellschaft in immer neuen Anläufen gegenüber dem Bundestag die Forderung erhoben wurde, er möge gem. Grundgesetz Art. 20 Abs. 2 das Abstimmungsrecht des Volkes gesetzlich regeln, damit es den Stimmberechtigten für entsprechende politische Initiativen auch praktisch zur Verfügung stehe. Aber das Parlament wies dieses Anliegen immer wieder ab.

Es dauerte länger als ein weiteres Jahrzehnt, bis sich Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD und die FDP in gewisser Weise öffneten. Doch haben sie sich bisher nie wirklich nachdrücklich, kontinuierlich und in Verbindung mit der Bewegung dafür eingesetzt.

2. Dann ist es durch den plötzlichen Rücktritt des Bundespräsidenten und die Notwendigkeit, dieses Amt kurzfristig neu besetzen zu müssen, dazu gekommen, dass zum einen ausgerechnet die dafür anstehende Wahl das Thema »Volksentscheid« durch das Auftreten eines Überraschungs­kandidaten in die öffentliche Debatte brachte: Fast schon eine kleine Volksbewegung organisierte ihre Sympathie für diesen Kandidaten – vor allem im Internet und von da aus in den Massenmedien reflektiert. Und im Zusammenhang damit wurde wieder die Frage laut, ob es denn nicht »demokratischer« wäre, den Präsidenten – »wie in anderen Demokratien« – auch in Deutschland »vom Volk wählen zu lassen«. Also »mehr Demokratie wagen«? Und schon war es da, das Gespenst »Volksentscheid«!

3. Zum andern wollte es der Zufall – oder die Fügung –, dass kurz nach der Präsidentenwahl *) in Bayern und in Hamburg Volksentscheide erfolgreich waren und dem Gespenst neue Nahrung gaben. Jetzt weitete sich die Debatte über die Medien auch auf »Experten« und Politiker aus **) und ergriff, wie im Falle des Genossen Gabriel, auch den Vorsitzenden der SPD. BILD am Sonntag berichtete am 11. 7. 2010 in einem Interview mit ihm, er habe »Sympathie für mehr Volksentscheide«. Auch andere mischten sich ins Stimmengewirr ein und taten ihre Ansichten kund. ***)

II. Was das Grundgesetz verlangt

Nun zur Sache selbst.

4. Als das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 zu den deutschen Begleitgesetzen zum Lissabon-Vertrag der Europäischen Union im Absatz 211 wie nebenbei feststellte:

»Das Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, ist der ele­mentare Bestandteil des Demokratieprinzips. Der Anspruch auf freie und gleiche Teilhabe an der öffentlichen Gewalt ist in der Würde des Menschen verankert [Art. 1 Abs. 1 GG]. Er gehört zu den durch Art. 20 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG als unveränderbar festgelegten Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts.«,

da war das im Blick auf die verfassungsrechtliche Position des Abstimmungsrechtes des Volkes wie die kopernikanische Wende im bisherigen Weltbild des Staatsbegriffes der BRD. Doch keine einzige Stimme im gesamten Blätterwald, elektronischen Medienrauschen und aus dem politischen System des Landes hat diese Wende bemerkt!

Bisher hatte »Karlsruhe« zu dieser Frage niemals Stellung genommen. In den Kommentaren zum Grundgesetz, in den Lehrbüchern des deutschen Staatsrechts und in den Köpfen der Politiker wie der Journalisten hatte sich die sog. »herrschende Lehre« festgesetzt. Diese wurde Anfang der fünfziger Jahre ausgebrütet, verbreitete sich und wurde schließlich zu der Denkgewohnheit, es sei das politische System der BRD von Verfassungswegen eine rein »parlamentarische Demokratie«, wie man es 1949 »aus wohlerwogenen Gründen« entschie­den habe. Die Volksgesetzgebung aus der Zeit der Weimarer Republik, also Volksbegehren und Volksent­scheid, sei wegen damals angeblich »bitterer Erfahrungen« – übrigens eine Legende! – bewusst ausgeschlossen worden. Und das sei gut so, wie die nun schon sechzigjährige Geschichte unseres Staates es beweise. So in allen Sonntags- und Jubiläumsreden und auch in allen Schulbüchern – bis heute.

Mit dieser »herrschenden Lehre« als systemischer Staatsdoktrin der BRD steht nun die oben zitierte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 nicht mehr in Einklang.

5. Tatsächlich kommt dieser Vorgang einer »kopernikanischen Wende« im Verständnis des Demokratieprinzips gleich, wie es demnach das deutsche Verfassungsrecht normiert. Er ist unmittelbar einsichtig und bestätigt die Lesart des Grundgesetzes Art. 20 Abs. 2 wie sie auch schon mit der ersten Petition für ein Bundesabstimmungs­gesetz Ende 1983 vorgetragen wurde.

Demnach legt das Grundgesetz, wie das Gericht jetzt bestätigt, nach Art. 1 und Art. 20, 2 als unabänderliche Norm für die Bundesrepublik Deutschland fest, dass ihr politisches System auf der Grundlage des Prinzips der Volkssouveränität als komplementäre Demokratie konstituiert ist: Einerseits bilden sich durch die Ausübung des Wahlrechts die parlamentarischen Organe für die Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich festgelegten Aufgaben der Legislative, der Exekutive und der Judikative, andererseits bleibt es dem Abstimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger vorbehalten, auch unmittelbar initiativ in die Entwicklung der politischen Verhältnisse eingreifen zu können.

Hier lag bisher der Hase im Pfeffer: Diese zweite Seite der demokratischen Selbstbestimmung des Volkes blieb ungeregelt. Mit der Folge, dass das Abstimmungsrecht nicht ausgeübt werden konnte.

Das heißt: Es hätte rechtslogisch schon immer so hätte gesehen werden müssen, dass das Abstimmungsrecht im Grundgesetz als unantastbare Norm verankert und es folglich für den parlamentarischen Gesetzgeber geboten ist, diese Norm verfügbar zu machen. Dem nachzukommen hat aber eine »herrschende Lehre« über Jahrzehnte verhindert – fortgesetzt verhindert auch dann, als seit Anfang der achtziger Jahre aus der Mitte der Zivilgesellschaft mit Petitionen und ausgearbeiteten Gesetzentwürfen an den Deutschen Bundestag diese Forderung explizit herangetragen wurde. [Alle diese Entwicklungen sind dokumentiert auf www.wirsinddeutschland.org]

III. Petition vom 9. November 2009 mit Probeabstimmung

6. Mit Einbeziehung der Position des Bundesverfassungsgerichtes wurde nun am 9. November 2009 nochmals eine Petition vorgelegt und darin außer vier Kriterien für eine zeitgemäße Ausgestaltung des Abstimmungsrechtes in Ge­stalt einer »dreistufigen Bürgerschaftsgesetzgebung« [außerparlamentarisches Gesetzes­­ini­tia­tiv­recht, Volksbegehren und Volksentscheid mit Medienbedingung] verlangt, dass über diese Forderung durch einen Bürgerschaftsentscheid definitiv abgestimmt werden sollte.

Um dieser Forderung größtmöglichen Nachdruck zu geben, ist auf der Homepage der Initiative http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de mit einer selbstorganisierten Probeabstimmung die Möglichkeit angeboten, die Petition zu unterstützen. Je mehr davon Gebrauch gemacht wird, desto größer wird die Aussicht, dass das Parlament seine bisherige Blockade aufgibt.

7. Diese Vorgehensweise ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil das bloße Umgehen mit Schlagworten ohne wesensgemäße Durchdringung des plebiszitären Prozesses in seinen Lebensbedingungen zu negativen Konse­quenzen in der Praxis von Volksentscheiden führen kann. Und zwar sowohl mit Blick auf das Zusammenwirken dieses Elementes mit den parlamentarischen Organen als auch mit Blick auf die Erfordernisse der freien Urteilsbildung der Stimmberechtigten in der Mediengesellschaft. Beides hat in der Petition vom 9. November 2009 Berücksichtigung gefunden.

IV. Das Widerstandsrecht aktivieren? Eine Revolution 2.0

8. Und was könnte man tun, wenn sich herausstellen sollte, dass sich die Volksvertretung erneut der Verpflichtung entzieht, dem Petitionsanliegen nach­zukommen?

In dem Projekt »weiße Nelke« sehen wir den Aufruf, so zu handeln, wie es das Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 4 ankündigt, wenn es da heißt:

»Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung [wie sie in GG Art. 20, Abs. 1 – 3 beschrieben ist] zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.«

Zu diesem verfassungsgemäßen Widerstand – falls es dazu kommen müsste – die folgende Erwägung: Ist nicht auch die Weigerung, eine normative Grundlage des Grundgesetzes zu regeln, nach GG Artikel 20,4 die Beseitigung der Ordnung? Und wird Widerstand dagegen dann nicht zur Pflicht der Demokraten?

Nicht im Sinn anarchistischen, gar gewaltsamen Widerstandes. Aber auch nicht so, wie man es vor 20 Jahren in der DDR gegen das dortige Regime der SED auf den Straßen zwar mit äußerem Erfolg aber mit sehr zwiespältigen Parolen verbunden und nicht der Idee der Volkssouveränität gemäß praktizierte: Unsere dieser Idee würdige gesamtdeutsche »direkt-demokratische Revolution« kann und soll die erste nach der Methode 2.0 sein, eine Revolution, geboren aus dem klaren Denken der Begriffe, welche Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene verlangen, wenn in der Praxis etwas Gelingendes aus dieser Entwicklung werden soll im solidarischen Wollen für das Ziel einer zeitgemäßen Verwirklichung dessen, was das oben zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes feststellt und die Petition vom 9. November 2009 konkretisiert.

9. Es braucht dafür zunächst nicht mehr aber auch nicht weniger als die Beteiligung an der Willensbekundung, wie sie als »Abstimmung« zur Sache angeboten ist. Hiermit wird dokumentiert, dass ohne die zeitgemäße Regelung des Abstimmungsrechtes des Volkes auch das politische Handeln der Volksvertretung der demokratischen Legitimation entbehrt. Das ist keine politische »Meinung«, vielmehr eine Erkenntnistat. Wahlrecht ohne Abstimmungsrecht ist nolens volens vormundschaftlicher Staat! [http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/verhaeltnis-wahl-und-abstimmungs­­recht]

10. Wir sind überzeugt, dass nach all der durch viele Jahre von vielen Menschen geleisteten Arbeit für diese Revolution 2.0 nicht mehr nötig ist als dies: Handeln aus dem klaren Bewusstsein des verfassungsrechtlich Gebotenen und der Sache nach zeitgemäß Richtigen.

Diese Aktion kann auf einfache Weise und ohne viel äußeren Aufwand zum Sammelbecken werden für alle, die aus den unterschiedlich­sten Anlässen zum ersten Mal oder wiederholt auf die Stichworte »Volksentscheid« oder »Volksabstimmung« [auch auf Bundesebene] gestoßen sind und erkennen, dass das Abstimmungsrecht des Volkes, wie es zunächst im Grundgesetz Art. 20,2 erscheint, ein unabdingbarer Grundwert unserer demokratischen Staatsordnung ist und folglich als von der Verfassung festgelegte Norm endlich auch praktisch muss ergriffen werden können!

Es sollte nicht bei populistischen Schlagworten bleiben. Machen wir jetzt Nägel mit den richtigen Köpfen!

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Nachbemerkung: Dieses kleine Manifest ist eine Frucht aus der Arbeit der »Petitionsinitiative 1989 – 2009« und ihrer Vorläuferinitiativen. Alles Weitere zu diesem Schritt findet man auf http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/widerstand.

Mit dem Logo der Aktion, der weißen Nelke, soll eine doppelte Erinnerung wachgerufen werden: Zum einen, wenn auch in anderer Farbe, sollen mit dieser Blume nicht nur der SPD-Vorsitzende und alle Mitglieder seiner Partei daran erinnert werden, dass der Impuls der Volksgesetzgebung in Deutschland geschichtlich seine Wurzel in der deutschen Arbeiterbewegung hat, nämlich im ersten Grundsatzprogramm der SPD, dem Eisenacher von 1869 und der vorher schon seit 1848 im geistigen und politischen Umfeld des Karl Marx, nämlich in der Neuen Rheinischen Zeitung, theoretisch von Moritz Rittinghausen befasst wurde. Zum andern ist das Logo ein Hinweis auf die Wider­stands­gruppe »Weiße Rose« [Geschwister Scholl und Freunde], die sich auch nur mit dem Wort gegen das natürlich unvergleichlich verbrecherische politische Regime des NS-Totalitarismus einsetzte [http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/weisserose/index.html]. Ihr Widerstand sei stets die Mahnung, das in der Volkssouveränität gegründete demokratische Recht zu achten und zu verteidigen.Joseph Beuys an Wilfried Heidt, Dez. 1983

Aktion Gemeinschaftsspaten: Petitionsgemeinschaft 1989 – 2009 »Die Demokratie verwirklichen«, 1. August 2010

c/o Internationales Kulturzentrum Achberg, 88147 Achberg

Karl Berger, Regina Danner, Peter Frank, Wilfried Heidt, Paul Hölzl, Ines Kanka, Martin Koch, Gerhard Meister, Sabine Münzebrock, Zsoka Pathy, Uwe Scheibelhut, Rolf Schiek, Gerhard Schuster, Tassilo Seidl-Zell­brugg, Loes Swart, Stefan Vey, Carmen Ziegler

 

 


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*) Bei der übrigens der »im Volk« angeblich »beliebtere« Kandidat während der Zeit seiner Kandidatur und auch zuvor nie erkennen ließ, dass sein Demokratieverständnis auch eine Sympathie fürs Plebiszitäre hätte. Er meinte als früherer DDR-Bürger und sog. »Bürgerrechtler« vielmehr ernsthaft, das »sächsische ‚Wir sind das Volk’« aus der Wendezeit 1989 sei gewissermaßen wie die Vorwegnahme von »Obamas ‚yes we can’« gewesen ... [so in seiner Rede am 22. Juni 2010 im Berliner Theater] [nach oben]

**) Ein Beispiel dafür war die DLF-Sendung http://ondemand-mp3.radio.de/file/dradio/2010/07/14/dlf 20100714 1915 02da6d6a.mp3  [nach oben]

***) In den Printmedien beispielsweise auf http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=17968&page=6 [nach oben]

 

 

 

 

 

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